Ms. Valentine,
vor Ort fand ich einen Patienten vor, der sich akut übergab und stark hustete. Bei meiner initialen Begutachtung waren klare Sprachstörungen wahrzunehmen, welche auch zuvor bereits bei diversen öffentlichen Auftritten des Patienten zu vernehmen waren. Zudem gab der Patient an, ein Schmerzmedikament zu nehmen, welches mir zunächst nicht bekannt war, sich aber später als wenig verbreitetes Paracetamol-Präparat herausstellte. Der Patient hatte keine sichtbaren Verletzungen, war aber sichtlich verwirrt. Örtlich, zeitlich und räumlich wirkte er aber orientiert. Vor Ort ließ ich die Verdachtsdiagnose auf "Unklare neurologische Symptomatik" lauten und den Patienten auf schnellstem Weg ins Klinikum verbringen, wobei mir noch von einer Passantin mitgeteilt wurde, dass sich der Zustand des Patienten in den vorangegangenen Minuten massiv verschlechtert hatte.
Im Klinikum konnte relativ schnell eine Diagnose gestellt werden - oder, genauer gesagt, zwei: Der Patient hatte bereits Tage zuvor einen Apoplex, also einen Schlaganfall erlitten, außerdem hatte er akut eine Lungenembolie entwickelt. Das bedeutet, dass ein Blutgefäß in der Lunge verstopft war - ganz ähnlich den Vorkommnissen bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall.
Nun muss ich kurz ausholen: Bei Schlaganfällen gibt es ein enges Zeitfenster, in denen eine Behandlung optimal möglich ist. Im Idealfall ist von einer Stunde die Rede, die zwischen Eintreten der Akutsymptomatik und Beginn der Lyse-Behandlung liegen darf, um den Patienten ohne bleibende Schäden zu behandeln, die Wissenschaft hält sechs Stunden für das absolute Maximum. Nach mehr als sechs Stunden muss man dann abwägen, wie viel noch zu retten ist, bleibende Schäden sind aber absolut gewiss.
Bei Mr. Ford war davon auszugehen, dass er mehrere Tage nach der Akutsymptomatik erstmals vorgestellt wurde. Die Ärzte in der Notaufnahme entschieden sich dennoch für eine Akutbehandlung, versetzten den Patienten noch am 25. Oktober in ein künstliches Koma.
In der Folge wurden mehrere Operationen durchgeführt, an denen ich nicht direkt beteiligt war. Ich war lediglich mit der fortdauernden Anästhesierung des Patienten betraut, also für seine Ruhigstellung verantwortlich. Nach allem, was die Akten mich wissen lassen, verliefen die Operationen aber sehr gut und der Patient befand sich schnell nicht mehr in Lebensgefahr - dennoch verlief der Heilungsprozess erwartungsgemäß schleppend, weshalb wir unter Anderem am 27. Oktober eine Anfrage des Justizministeriums, ob der Patient vernehmungsfähig sei, ablehnen mussten. Außerdem musste ich noch am 25. Oktober das Präsidium des Kongresses benachrichtigen, dass eine möglicherweise anstehende Vereidigung von Mr. Ford ausgeschlossen schien.
Während der Akutphase sowie darüber hinaus ist bei Patienten mit einer Diagnose, wie wir sie bei Mr. Ford stellen mussten, ein massiver Verlust von kognitiven Fähigkeiten zu beobachten. Das Sprachzentrum ist in aller Regel als eines der Ersten beeinträchtigt, auch der Bewegungsapparat dürfte betroffen sein. Mit der Zeit stirbt Hirngewebe ab, das heißt, manche Bereiche des Hirns sind dauerhaft verloren. Nun kann das Hirn lernen, abgestorbene Bereiche zu ersetzen - dies braucht aber Zeit. Bei Mr. Ford schien das Sprachzentrum beinahe komplett betroffen gewesen zu sein, auch seine Denkleistung schien massiv gelitten zu haben. Nach mehreren Monaten intensiver Rehabilitationsmaßnahmen wäre es aber sicher möglich gewesen, weitestgehend eine suffiziente Funktion der betroffenen Bereiche wieder herzustellen. Am 02.11. wollten wir Mr. Ford erstmals aus dem Koma erwecken, um mit den Wiederherstellungsmaßnahmen zu beginnen. Aber siehe da - wie von Zauberhand war der Patient unheimlich fit. Ein medizinisches Rätsel.