Auf die Schelte für MN-Spieler, die sich beim Einstieg in eine neue MN oder nach einer gewissen Zeit der Tätigkeit in einer MN eine neue Identität zulegen und die Belobigungen für die Benutzung einer Langzeitidentität in diversen Ländern kann ich nur erwidern: ich finde es erstens angenehmer, mit solchen Spielern zusammenzuspielen, die sich wenigstens die Mühe geben, eine zu der MN, in der sie mitspielen wollen, passende Identität zu erschaffen, anstatt irgendeine abgenudelte Identität anzuschleppen, die zur Vorstellung erst mal herunterbetet, in welchen Ländern sie schon alles König, Kaiser, Präsident, Kanzler, Minister, Bürgermeister, Weltmeistertrainer, Olympiasieger, Staranwalt, Enthüllungsjournalist und Puffbesitzer war.
Und zweitens mag die Erschaffung einer neuen Identität zwar manchmal vielleicht damit zu tun haben, dass deren Spieler mit der Entwicklung seiner bisherigen Identität unzufrieden ist. In den meisten Fällen hat das jedoch einfach den Grund, dass das Potenzial einer Identität ausgereizt ist: man hat seine Ziele mit ihr erreicht, oder empfindet sie als im Laufe der Zeit allmählich überaltert, und möchte sich mit einer neuen Identität - die z. B. andere Ansichten, Ziele und Interessen hat als die bisherige Identität - neuen Herausforderungen stellen. Oder man hat längere Zeit nicht mehr in einer MN gespielt, die sich zwischenzeitlich weiterentwickelt hat, in der mittlerweile andere Gesichter unterwegs sind als früher, und man will nicht eine als längst in den Ruhestand getreten gewertete Identität wieder aufwärmen. Und selbst wenn man mal mit einer Identität scheitert, finde ich es immer noch sympathischer, einfach einen Schnitt zu machen und neu zu beginnen, anstatt seine Identität von Land zu Land reisen zu lassen und jedes Mal mit ihr weiterzuziehen, wenn man irgendwo keine Lust mehr hat, oder sich eben auch mal auf die Nase legt.
Dieses: "Pfui, ihr Identitäten-Crasher, nehmt euch mal ein Beispiel an mir: seit soundsoviel Jahren die gleiche Identität, und das schon in soundsoviel Ländern!" ist wirklich kein Argument. Zur stabilitas gehört wenn schon, dann mit einer quasi einmal geschaffenen Identität auch in einem Land zu bleiben, selbst wenn sie jedes mögliche Amt dort schon zigmal innehatte und dienstjüngeren Mitspielern quasi als "Antiquität" erscheint. "Ach, hier bin ich jetzt seit soundsoviel Jahren, war schon mal dies, und das, und jenes und alles, ich wandere mit dieser Identität einfach aus und lasse sie woanders eine neue Karriere starten, Erfahrungen hat sie ja genug vorzuweisen", ist wirklich keine sonderlich lobenswerte Einstellung oder Praxis.
Vor allem, weil sie unter Unterständen zu wirklich bescheuerten Diskussionen führen kann, denn stellt euch, als weiteres lustiges Beispiel, mal vor, bei der Berufung Kristina Köhlers wäre ein nach Ende seiner politischen Karriere in den USA nach Deutschland ausgewanderterJohn Ashcroft aus dem Busch gesprungen und hätte gerufen: "Seid ihr denn verrückt? Die Frau sitzt doch nur seit ein paar Jahren im Parlament, und ist dort nie besonders aufgefallen - sie hat gar nicht genug Erfahrung! Ich war hingegen schon Generalstaatsanwalt, Gouverneur und Senator von Missouri, und Bundesjustizminister der USA - ich bin viel besser für den Job geeignet, denn ich habe langjährige und vielseitige Erfahrung als Politiker!" Seid ihr nicht auch der Meinung, dass das doch etwas anderes gewesen wäre als die Biografien von Ronald Reagan, Arnold Schwarzenegger, und wer hier sonst schon so bemüht wurde?
Ich spreche mich ja nicht dagegen aus, dass in Astor gespielte Identitäten einen Hintergrund als Einwanderer haben können, was durchaus dem realen Vorbild entspricht. Nicht mal dagegen, dass dieser Hintergrund sogar real sein, die Identität also zuvor wirklich schon in einem anderen Staat gelebt haben kann. Und auch nicht dagegen, dass ehemalige ausländische Spitzenpolitiker nach Astor einwandern können, meinetwegen auch Bürgermeister, Kongressabgeordnete, Sonderngesandte oder - beauftragte der Bundesregierung für irgendwas werden.
Es geht tatsächlich nur darum: muss es wirklich sein, dass politische Spitzenämter in Astor von Identitäten bekleidet werden, die zuvor bereits höchste Ämter in anderen Staaten innehatten, nur weil deren Spieler zu faul sind, sich eine eigene Identität für Astor zu erschaffen, oder das aus Prinzip nicht wollen? Identitäten, die ja Einwanderer aus den Herkunftsländern der anderen Identität sein können, sogar deren Kinder, Brüder oder Schwestern o. ä., nur eben mit entsprechend sinnvollen Lebensläufen, um in Astor politische Karrieren einzuschlagen? Reale Spitzenpolitiker, die als Einwanderer in ihr Tätigkeitsland gekommen sind, sind das als Kinder (Beisp.: Madeleine Albright mit elf Jahren), Jugendliche (Beisp.: Henry Kissinger mit fünfzehn Jahren) oder junge Erwachsene (Beisp.: Arnold Schwarzenegger mit einundzwanzig Jahren). Aber vor allem waren sie nicht zuvor in politischen Führungsfuntionen ihrer Herkunftsländer tätig.
Droht Astor wirklich, nur bzw. auch weil es ein Einwanderungsland simuliert, wirklich die völlige Isolation innerhalb der MN-Gemeinde, wenn es nicht Leuten in den Hintern kraucht, die kein Stück bereit sind, sich dem Bemühen Astors um Realitätsnähe und Glaubwürdigkeit anzupassen? Was ist denn dann mit Micronationen, die gerade einen in sich geschlossen und nach außen hin klar abgegrenzten Kulturkreis simulieren? Müsste es eurer Meinung auch eine Micronation, die, was weiß ich, eine orientalische, altägyptische, indigene oder was weiß ich für eine Kultur simuliert, akzeptieren, wenn plötzlich Hugo Müller, Unionskanzler der Demokratischen Union a. D. und partout unwillens, sich eine passende Identität zu erschaffen, dort einfliegt und Staatsoberhaupt, Regierungschef oder -mitglied wird? Oder hat nur Astor die Arschkarte, weil es ja ein Einwanderungsland darstellen soll?
Und abschließend zum Thema, was nun realistisch ist - anstatt irgendeine Liste abzuarbeiten, wiederhole ich meine eingangs (= im ersten Beitrag) formulierte Maxime: realistisch ist grundsätzlich, was es so entsprechend auch im realen Leben gibt. Modifikationen, Anpassungen, Fantasie usw. sind notwendig und wünschenswert, wenn ohne diese das Spiel nicht funktionieren würde, oder wenn sie Astor mehr Gewinn als Schaden bringen.