Madam President,
gerne gehe ich die von Ihnen angesprochenen Kritikpunkte der Reihe nach durch:
Die Verfassungsväter haben dem Bund das Recht zuerkannt, das Strafrecht zu setzen. Es wird also exklusiv dem Bund vorbehalten. Der eine oder andere Gouverneur würde sicherlich gerne eigenes Strafrecht setzen, das ist aber gemäß der Verfassung nicht möglich und für mich auch kein Argument etwas an dem Status quo zu ändern. Ich würde es zum Beispiel begrüßen, wenn der Kongress inhaltlich mehr Befugnisse hätte, doch ist mein eigener Wunsch kein Argument für eine entsprechende Änderung.
Die Verfassungsväter haben, indem sie dem Bund die Zuständigkeit für das Strafrecht übertragen haben, zweierlei festgelegt: Erstens, die Staaten dürfen aus diesem Gebiet nicht tätig werden, es sei denn, der Bund ermächtigt sie ausdrücklich dazu. Und zweitens, die Staaten müssen auf diesem Gebiet auch nicht tätig werden, der Bund kann ihnen also nicht "befehlen", Gesetze betreffend das Strafrecht zu erlassen, sondern diese können jederzeit auf die Pflicht des Bundes verweisen, die entsprechende Materie zu regeln.
Man muss bei der Bewertung dieser Entscheidung unserer Verfassungsväter auch die Zeit berücksichtigen, in der sie getroffen wurde: Es war eine Ära, in der man von der Gesetzgebung als Mittel der Ausgestaltung nicht viel hielt oder verstand. Der Bund sollte sozusagen alle "technischen" Belange regeln - wie etwa das Verfahren, wenn ein realer Bürger gegen ein Gesetz verstößt - und die Staaten sich vor allem um die Ausgestaltung kümmern, womit man das Füllen von Wikis meinte.
Ich begrüße sehr, wie Astor sich seit dieser Zeit weiterentwickelt hat, dass es sich heute nicht mehr nur alles um Außenpolitik, WiSim und Wiki-Artikel über den Krieg gegen die Ululu-Indianer 18xx dreht. Sondern dass man sich auch - genau gesagt: wieder - mit Themen wie Bildung, Gesundheit, Umweltschutz usw. befasst. So was galt zur Entstehungszeit unserer Verfassung als überflüssig und sinnlos.
Niemand wäre auf Idee gekommen, ein Strafgesetz als Mittel zur sozusagen "Ausgestaltung der Rechtskultur" zu begreifen. Strafgesetze waren dazu da, zu regeln, was passiert, wenn sich jemand mit mehreren IDs gleichzeitig einbürgert, Wahlen fälscht oder in der WiSim betrügt, und mehr nicht. Von dieser Warte aus war es auch sinnvoll, die Kompetenz für das Strafrecht allein dem Bund zu geben, und in diesen Bereichen soll es ja auch beim Bund verbleiben.
Es geht dem Gesetz auch mit darum, einen Ausweg aus dem ewigen Dilemma aufzuzeigen, wo man eine "interessante" oder "spannende" Materie denn ansiedelt: Beim Bund, oder bei den Staaten? Gibt man sie dem Bund, dann heißt es hinterher: "Die Staaten haben ja gar keine wichtigen Aufgaben, die es lohnenswert machen, sich auf ihrer Ebene politisch zu engagieren!" Gibt man sie den Staaten, heißt es anschließend: "Der Bund hat doch viel zu wenig zu tun, fast alles Wichtige liegt bei den Staaten, und die machen nichts daraus!"
Ich halte es für den falschen gedanklichen Ansatz, die Kompetenzen von Bund und Staaten mit dem Papiermesser voneinander trennen zu wollen. Ein Thema kann auch von beiden Ebenen für sich genutzt werden, ohne dass die eine der anderen irgendwas wegnimmt.
Denn der Bund verlöre durch dieses Gesetz ja keine Kompetenzen: Der Federal Penal Code etwa bliebe unverändert in Kraft, und auch für jede tatsächlich begangene oder simulierte Straftat bliebe er zuständig. Die Staaten erhalten nur die Möglichkeit, auf dem Gebiet des Strafrechts ihrerseits ausgestalterisch tätig zu werden.
Nun argumentiert die Antragstellerin, dass es das Gesetz ja offenlässt, gewisse Straftäter auch direkt dem Bundesrecht zuzuführen, sodass das Strafrecht in den Bundesstaaten gar nicht für sie greifen würde. Denn dafür wäre gemäß des Entwurfes nur eine Intervention der Strafverfolgungsbehörden des Bundes, gegen die keine Rechtsmittel mehr vorliegen. Das ist auch alles soweit nachvollziehbar, doch sehe ich im Moment noch zwei Probleme, die mit diesem Entwurf erst entstehen:
1. Es entsteht eine drastische Willkür, da der Entwurf keine objektiven Gründe vorschlägt, mit denen der Bund seine Zuständigkeit geltend machen könnte. Letztlich kann der Bund immer dann tätig werden, wenn er es für geboten hält, muss dies aber nicht mal begründen, sondern kann den örtlichen Behörden schlicht dazwischenfunken, ohne dass der Bundestaat oder auch der Angeklagte dagegen irgendwas machen könnte.
Das könnte man wie gesagt auch anders regeln - wenn man es akzeptiert, dass das Gesetz gewisse Sim-off-Begriffe und -Beschreibungen enthält. Dann lässt sich klar aufzählen, in welchen Fällen das Strafrecht des Bundes greift. Ich wollte einmal versuchen, so was zu vermeiden, in der Hoffnung, es würde positiv aufgenommen, da - notwendige - Sim-off-Begriffe in anderen Gesetzen in der jüngeren Vergangenheit durchaus auf Kritik gestoßen waren.
Mit Sicherheit sagen kann ich jedoch: Rein sim-on
und rechtssicher präzise lässt sich keine Abgrenzung treffen. Die ganze Idee aus diesem Grund als sinnlos oder nicht umsetzbar zu verwerfen, wäre wiederum schade und eine maßlose Verschwendung von Potenzial und Material.
2. Die Antragstellerin hat ja bereits ausgeführt, dass die Bundesstaaten objektiv nicht in der Lage sind, Strafverfolgungsbehörden und Gericht zu betreiben. Doch was geschieht in einem Fall, in dem sich ein Bürger nach dem Recht von Staat "Freedonia" strafbar gemacht hat, das Bundesrecht aber keine entsprechenden Regeln vorsieht. Dann MUSS Freedonia aktiv werden, auch wenn er das objekt nicht kann. Das bundesstaatliche Strafrecht wird dann schnell zum zahnlosen Tiger, denn die Umsetzung wird entsprechend schwierig.
Dieses Problem besteht jetzt im Prinzip auch schon, nämlich auf dem Gebiet des Nebenstrafrechts. Auch jetzt schon können die Staaten in ihren Gesetzen Strafen Verstöße gegen diese Gesetze vorsehen - siehe etwa in den Bereichen Betäubungsmittel oder Waffen - und wenn ein solcher Verstoß tatsächlich begangen oder simuliert wird, stellt sich die Frage, wie weiter zu verfahren ist?
Dafür ließe sich über den Federal Judiciary Act (das Gerichtsverfassungsgesetz) sicherlich eine Regelung finden, die wir wie gesagt auch sowieso brauchen.