Madam President of the Senate,
ich gebe unumwunden zu, dass das eine überaus knifflige Frage ist. Knifflig deshalb, weil es so viele Urteile astorischer Gerichte gar nicht gibt, wie insbesondere Kritiker eines von ihnen gesehenen "Jurastor" gerne tun. Sehr viel einfacher wäre es sicherlich, Prozesse zu benennen, die vielleicht zu wegweisenden Urteilen hätten führen können, aber aus unterschiedlichen Gründen ohne Urteil zu Ende gegangen sind.
Benennen und kommentieren möchte ich auf Ihre Frage hin jedoch folgende Urteile:
1. Schwertfeger v. United States, vom 5. Januar 2009,
weil der Oberste Gerichtshof mit diesem Urteil dem Versuch widerstanden hat, ihn als Akteur in das Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen, welcher darüber zu wachen hat, ob von einzelnen politischen Akteuren aus der Verfassung abgelesene angebliche Handlungsanweisungen auch korrekt umgesetzt werden. an mag die Todesstrafe aus religiösen, ethischen, juristischen, kriminologischen und anderen in Frage kommenden Gesichtspunkten beurteilen wie man will, es wäre verheerend anzunehmen, eine so fundamentale politische Entscheidung wie ob dieses Instrument der Strafgerichtsbarkeit zur Verfügung stehen soll oder nicht sei von der Verfassung vorgegeben. Diese garantiert jeder von einer Handlung der Entscheidung der Staatsgewalt betroffenen Person den Rechtsweg und eine individuelle Entscheidung in seinem Einzelfall, die - sofern der Gesetzgeber die Todesstrafe androht, der Ankläger sie gefordert und das Gericht sie verhängt hat - darauf lauten kann, dass sie in seinem individuellen Fall objektiv unangemessen oder ungerecht ist. Aber es kann nicht unter Verweis auf die Verfassung Sache des Obersten Gerichtshofes sein, anstelle der vom Volk der Vereinigten Staaten gewählten Mitglieder des Kongresses darüber zu entscheiden, ob es einzelne Verbrechen gibt, für die die angemessene Strafe die Todesstrafe ist. Dies hat der Oberste Gerichtshof hier zutreffend und mit großartiger Selbstzurückhaltung erkannt.
2. The President of the United States v. The United States Congress, vom 21. Septeber 2010,
weil der Oberste Gerichtshof mit diesem Urteil - das man wohl mit Fug und Recht als das unpopulärste Urteil eines astorischen Gerichts in der Geschichte der Vereinigten Staaten bezeichnen darf - ebenfalls ein wichtiges Prinzip seines Wesens und seiner Aufgabe aufgestellt und umgesetzt hat. Nämlich das Maßstäbe seiner Entscheidungen nicht Wünschbarkeit der gar Opportunität sind, sondern nichts anderes als der Buchstabe des Gesetzes ist. Natürlich hat dieses vielfach kritisierte Urteil zunächst ein heilloses Chaos in der Bundesverwaltung angerichtet, stundenlange und gewissenhafte Arbeit ganzer Generationen von Kongressmitgliedern quasi geschreddert und Präsidenten wie Kongressmitgliedern einen Haufen Mehrarbeit aufgeladen. Aber all das waren Auswirkungen dieses Urteils, die der Oberste Gerichtshof in seine Entscheidungsfindung auch gar nicht einbeziehen durfte. Maßstab seines Urteils hatte die Verfassung der Vereinigten Staaten zu sein, und sonst nichts. Wir alle kennen sicherlich den gerne zynisch angebrachten Ausspruch: "Fiat justitia, et perat mundi" - es geschehe Gerechtigkeit, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht. Im Verhältnis zwischen Kongress, Administration und Oberstem Gerichtshof der Vereinigten Staaten richtet er sich aber als Mahnung an die beiden Erstgenannten. Wenn sie in ihrem Handeln das Recht beachten, bringen sie den Obersten Gerichtshof gar nicht erst in die Situation, durch ein Eingreifen in ihr Tun vielleicht viel größer scheinende Probleme zu verursachen. Denn ihm ist keinerlei Gestaltungsspielraum gegeben, ihm steht kein anderer Maßstab zu als das geltende Recht. Daran hat der Oberste Gerichtshof sich mit diesem Urteil konsequent und gegen alle zu erwartenden Widerstände und Folgen gehalten.