Senatorin Fox,
es ist die alleinige Kompetenz und Autorität des Kongresses, die Gesetze zu machen, die andere auslegen und anwenden sollen. Auch der Präsident ist da nicht gebend, sondern höchstens hindernd. Der Kongress bestimmt den Wortlaut. Zu allererst begrüße ich es, dass nicht nur Juristen im Kongress tätig sind. Denn das Parlament sollte ja aus den Reihen des Volkes gewählt sein, um für das Volk zu sprechen und eine möglichst großen Querschnitt der Gesellschaft abbilden, sowohl vertikal (arm und reich) als auch horizontal (konservativ und progressiv) sowie lokal.
Die Frage nach der "Güte" eines Gesetzes ist, gelinde gesagt, heikel. Hierzu soll ein einfache Beispiel dienen:
"Nachts sind Straßen zu beleuchten." Damit kann eigentlich jedermann etwas anfangen. Doch dann geht es los.
Was heißt "nachts"? Wann beginnt die Nacht? Mit dem Sonnenuntergang oder mit der Dunkelheit? Sollte das nicht eher "bei Dunkelheit" lauten? Was sind Straßen? Alle Straßen? Auch Autobahnen oder nur jene in den Städten, nur Haupt- oder auch Nebenstraßen? Wie stark müssen sie beleuchtet werden? Muss auch der Pensionär mit grauem Star es als beleuchtet erkennen? Reicht eine 40 Watt Birne alle 100 m oder braucht man künstliche Sonnen alle 10 m, wäre ein LED-Bordstein nicht viel praktischer und auch schicker?
Irgendwann werden diese Fragen zu viel und man fragt nach dem Sinn der Bestimmung, weil der Wortlaut zu viel Streit bereit.
In diesem speziellen Beispiel soll es wohl der Sicherheit des Personen- und Fahrzeugverkehrs auf den Straßen dienen.
Sie fragten, wie ich mich in diesem Streit positioniere.
Unsere Verfassungsväter wussten, dass es keine perfekte Machtordnung gibt, also teilten sie die Macht auf und ließen Platz für Auseinandersetzungen. Ich vertrete, wenn Sie so wollen, den Gedanken von der "Freiheit unter der Herrschaft des Gesetzes". Die besten Gesetze sind demnach kurz, prägnant & dunkel und lassen Spielraum für die Anwender; sie vermitteln jedoch, was eherne Geltung haben soll (vor allem, wenn es um die Rechte des Bürgers gegenüber der Staatsmacht geht) und überlassen Beiläufiges und Detailfragen den Anwendern.
Und sollte irgendwann der "Gesetzgeber", welcher keine Person, sondern eine Ansammlung von Personen ist, die nach bestimmten Verfahrensweisen zu einer Einigung kommen, be- bzw. anmerken, dass der in seinen Gesetzen niedergeschriebene Wille nicht mehr in seinem Sinne umgesetzt wird, dann wird er den Gesetzestext ändern müssen, um seinen Willen zu verdeutlichen.
Oder sind Sie der Meinung, dass auch eine in manchen Fällen jahrelange unbestandete Ausführung dadurch gleichwohl in den Willen des Gesetzes mit einfließt und es der bessere Weg wäre, diese im Zweifelsfall gewähren zu lassen und nachträglich die Gesetzesformulierung der eingeübten Gewohnheit in seiner Anwendung anzupassen?
Wer einem geltenden Gesetz zuwiderhandelt - was einzig durch ein Gericht zu beurteilen wäre - handelt rechtswidrig. Unrecht darf es in einem Rechtsstaat nicht geben. Die dauerhafte Übung einer bestimmten Art der Anwendung von Gesetzen geht aber nicht per se in das Gesetz über.
Um mich auf meine Aussage zu berufen: Der Gesetzgeber entscheidet, ob und wie er seinen (geänderten) Willen in Textform gießt. Seine Entscheidung sollte da nicht vorweggenommen werden.
Oder um es ganz grob zu sagen: Die Rechtsanwender müssen mit dem auskommen, was sie haben und das Beste daraus machen ... oder es ganz lassen. Ich will keine Friss-oder-stirb-Situation beschwören, aber sie wäre kurz, prägnant und dunkel. Außerdem sind Gesetze ja nicht für die Ewigkeit gemacht. Die Verfassungs- und Gesetzgeber wissen um ihre eigene Fehlbarkeit bzw. um das Fortschreiten von Entwicklungen. Gesetze können geändert werden. Doch wer so verfährt, wie er es immer schon getan ab, obwohl das Gesetz geändert und auch für jeden Zweifler die Verfahrensweisen verändert wurden, der handelt wohl rechtswidrig, wenn er sich anmaßt, über dem Gesetz zu stehen und die Änderung als Fehler bzw. undurchdachtes Machwerk des Kongresses betitelt, weil dort ja ohnehin nur pöbelhafte Laien auch aus niederen oder fernen Gesellschaftskreisen, die von nichts eine Ahnung hätten, herumlungerten.
Sehen sie als den Willen eines Gesetzes, was aus dessen streng wörtlicher Auslegung herauszulesen ist, und halten Sie diese für unbedingt anwendbar?
Der Wille des Gesetzgebers hat solange außer Betracht zu bleiben, wie er nicht den Weg in den Gesetzestext gefunden hat. Der Wortlaut ist mit Priorität zu beachten. Erst wenn es da Streit gibt - und nach meinen Ausführungen ist dieser vorbestimmt, ganz gleich, wie das Gesetz auch lautet - dann ist auf dessen Grundlage nach dem Sinn zu fragen.