Original von Leo McGarry
Ich hatte bisher die - falsche - Hoffnung, du wärest in der Lage, im RL etwas normaler und sachlicher zu diskutieren als VL.
Ich glaube, meine grundsätzliche Haltung zu Demokratie und Wahlen muss ich dir nicht mehr in epischer Breite darlegen, darum nur zur kurzen Erinnerung: ich halte sie für die neuzeitliche Entsprechung von "Panis et Circenses", mit welchen die Obrigkeit einer Anzahl von Staaten ihre Untertanen bei Laune hält und von ihrer tatsächlichen Ohnmacht über das eigene Leben ablenkt.
Entsprechend gering ausgeprägt ist meine Neigung, mir in Diskussionen über Wahlen und Kandidaten mit strebsamem Eifer Abzeichen irgendwelcher Debattierclubs für vorbildlichen Stil zu verdienen. Gespräche über Politik sind für mich wie Gespräche über das Fernsehprogramm, man unterhält sich eben zur Zerstreuung über etwas, über das man sich die meiste Zeit ärgert, es doch nicht ändern kann, sich eigentlich schämen sollte es überhaupt zu beachten, von dem man aber zugeben muss dass es doch fasziniert und ein ganzes Stück weit abhängig macht.
Nichts desto minder laufen politische Diskussionen bei mir unter "Trivialitäten", ich nehme sie nicht todernst, ich erwarte oder beanspruche nicht irgendetwas zu bewegen oder irgendjemandes Meinung zu ändern, ich streue zu meiner Belustigung die meine unter das Volk, und höre mir zum gleichen Zwecke sowie im Austausch jene anderer an. Für mich sind sie sowas wie Kino, oder Theater, vielleicht am treffendsten: Bühne. Herzbluterfüllte Verfassungspatrioten oder idealistische Weltbürger finden in mir keinen interessanten Gesprächspartner.
Ich gestehe offen ein, dass ich mich darin getäuscht habe und du gerne und willens die Rhetorik des rechten Rands benutzt, um deine Abneigung gegenüber Obama - die du bisher kein einziges Mal sachlich hast erläutern können, d.h. ihr fehlt jegliche argumentative Faktengrundlage - zum Ausdruck zu bringen.
Ich habe meine Abneigung gegen Obama bereits an vielerlei Stellen mit Argumenten belegt, fasse sie dir aber auch gerne noch einmal gedrängt und übersichtlich zusammen:
- Obama ist zu unerfahren
Er hätte bei einem möglichen Amtsantritt als US-Präsident gerade einmal zwei Drittel einer Amtszeit als US-Senator auf dem Buckel, und mehr nicht. Dass seine acht Jahre im Senat des Staates Illinois keine für das Amt des US-Präsidenten zählbare Erfahrung sind, da die Parlamente der Bundesstaaten zwischen Bundeskongress und kommunalen Rechtssetzungsorganen eine eher nachrangige Rolle spielen brauche ich dir als Kundigem in der US-Politik sicherlich nicht auseinanderzusetzen.
Gegen Ende seiner ersten Funktionsperiode als Staatssenator in Illinois bewarb Obama sich um die Nominierung als Repräsentantenhauskandidat in seinem Wahlkreis und verlor die demokratische Vorwahl, sein Gegenkandidat schlug ihn mit dem Verweis auf seine Unerfahrenheit.
Als George Bush sen. 1988 den seit über zehn Jahren im Kongress erfahrenen Senator und vormaligen Repräsentantenhausangebordneten Dan Quayle als seinen Running mate nominierte, hegten viele die Besorgnis, er sei im Verfassungsfalle nicht erfahren genug, um das Präsidentenamt ausüben zu können.
- Obama ist zu naiv
Seinen sehr wahrscheinlich überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten will ich ihm gar nicht absprechen, aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass gerade überdurchschnittlich intelligente Menschen überdurchschnittlich anfällig für schockierende Naivität sind. Man sieht es exemplarisch am politischen Lebenswerk des William Jefferson, genannt "Bill", Clinton.
Wenn zu einem beachtlichen Teil formal hochgebildete Linke und Linksliberale auf die fraglos mehr als vorzeigbare, auf die beeindruckende wirtschafts- und haushaltspolitische Bilanz ihres Helden verweisen, dann verkennen sie entweder aus Verblendung bzw. mangelnder Information, oder verschweigen aus taktischen Gründen, wie er diese erreicht hat: durch das genaue Gegenteil jener Politik, von der er geredet hat und für die er dem Glauben seiner Anhänger und Bewunderer stand, für die jetzt wieder Obama steht.
Er hat den US-Arbeitsmarkt mit solch radikalen Maßnahmen entschlackt und in Form gebracht und den Bundeshaushalt saniert, kein Peter Hartz hätte es gewagt, so etwas auch nur der FDP vorzuschlagen, geschweige denn der SPD! Clinton war schlicht mit genau dem Gegenteil davon erfolgreich, was Obama den Leuten jetzt mal wieder verspricht. Er hat das Land nicht beschmust, er hat die Leute - Entschuldigung - in den Arsch getreten, und zwar so richtig!
Obama verspricht, wahrscheinlich aus ehrlichem Idealismus und aufrichtiger Menschenliebe, die will ich ihm gar nicht absprechen, für jedermann Bäche voll Milch und Honig fließen zu lassen, ohne jedes tragbare Konzept, aus welchen Quellen sie entspringen sollen. Er hat absolut Recht wenn er kritisiert, dass Bush acht Jahre lang ziemlichen Mist verbrochen hat. Weil Bush als (heimlich) staatsgläubiger Neokonservativer in vielen Bereichen wieder weit hinter den (in Wahrheit) ausgesprochen marktliberalen Clinton zurückgefallen ist. Wenn Obama jetzt glaubt, durch noch mehr Intervention, Lenkung und Planung den weder von Reagan noch Bush jun., sondern ganz wesentlich von Bill Clinton zerschlagenen Wohlfahrtsstaat wiedererrichten zu können, dann würde im Falle seiner Wahl in vier oder gar acht Jahren niemand mehr vom Bush'schen Haushaltsloch sprechen, egal wie gigantisch es den Europäern heute bereits erscheinen mag - es sähe dann nur noch wie ein "vorübergehender finanzieller Engpass" aus, im Vergleich zu dem, was Obama anrichten würde.
Reagans mit beiden Händen getätigten Rüstungsausgaben haben sich am Ende immerhin rentiert, der Kommunismus ist buchstäblich bankrott gegangen. Was sich bis heute nicht gerechnet hat, ist der von L. B. Johnson begonnene "Krieg gegen die Armut". Wie will ein unerfahrener, naiver junger Senator ihn jetzt gewinnen, während er nebenbei noch die Welt befriedet?
- Obama ist unaufrichtig, denn er schmückt sich mit fremden Federn
Ein negrider Vater und ein US-Pass machen noch keinen "Afroamerikaner" in dem Sinne, in welchem man diesen Begriff üblicherweise gebraucht.
Zu den Familiengeschichten, Biografien und der Lebenssituation "echter" Afroamerikaner hat Obama keinerlei Beziehung. Keiner seiner Vorfahren hat z. B. in den beiden Weltkriegen für (s)ein Land gekämpft, das ihn als Bürger zweiter Klasse behandelt hat. Während die Afroamerikaner für ihre rechtliche Gleichstellung auf die Straße gegangen sind, hat Obama die Schulbank einer Privatschule im Ausland gedrückt.
Biografisch ist ganz klar seine "weiße Hälfte" dominant, er ist eigentlich ein typischer, weißer Nordoststaaten-Yuppie, der sich jetzt bei der afroamerikanischen Bevölkerungsgruppe, zu welcher er weder ethnisch (sein Vater ist Kenianer, die negride US-Bevölkerung stammt aus Nordwest- und Westafrika) noch biografisch gehört, sowie den "politisch korrekt" mit diesen sympathisierenden Teilen der weißen Bevölkerung als vorgeblich einer von ihnen anbiedert.
Wird Obama US-Präsident, bedeutet das für Millionen "echte" Afroamerikaner etwa genauso viel wie die Präsidentschaft Bill Clintons, der sich ja auch bereits als der "erste schwarze US-Präsident" bezeichnet hatte, aber immerhin Jazzmusiker war - im Zweifel war er kulturell somit noch "afroamerikansicher" als Obama.
- Obama ist (zumindest im Wahlkampf) größenwahnsinnig (geworden)
Dass John F. Kennedy 1963 von den West-Berlinern gefeiert wurde, hatte er sich ehrlich verdient: mit seiner entschlossenen Reaktion auf den Mauerbau 1961 durch das SED-Regime - er hatte weitere US-Truppen aus der Bundesrepublik in die Stadt verlegen lassen und durch einen Aufmarsch von Panzern an der Sektorengrenze unterstrichen, dass die Sowjetunion Zugriff auf West-Berlin nur um den Preis eines Krieges erhalten könnte - hatte er gezeigt, dass die Menschen in der eingeschlossenen Stadt sich auf ihn verlassen konnten, dass die USA sie nicht im Stich lassen und den Sowjets ausliefern würden. Sein Mut, anstatt nachzugeben mit einer wohlabgewogenen Balance aus Härte und Gesprächsbereitschaft auf die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba zu reagieren, hat die Welt vor dem Dritten Weltkrieg gerettet.
Was hat Obama bislang geleistet das es rechtfertigen würde, ihn wenige Kilometer entfernt ebenso zu bejubeln, und sogar mit Kennedy zu vergleichen? Gar nichts!
Und nein, "er hat den Menschen Hoffnung gegeben" ist keine Leistung. Er hat ihnen Hoffnung durch Grinsen und Parolen gegeben, nicht durch T-A-T-E-N! Er schuldet noch den winzigsten Anscheinsbeweis dafür, dass irgendwas von dem das er verspricht überhaupt realisierbar ist, und dass gerade er es realisieren kann.
Siehe zur Vermeidung von Wiederholungen oben.
Und erspare mir das absehbare Geseier von der Falschheit politischer Korrektheit. Du bist nicht bescheuert und weißt, welche Ressentiments hier willig bedienst.
Tja, nun ist es ja wie gesagt so, dass Obama es sich zumindest wohlgefallen lässt, dass vielfach zu seinen Gunsten die "Rassenkarte" gespielt wird. Noch mal Kennedy: "Ich bin der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, nicht der Präsidentschaftskandidat der Katholischen Kirche!" Wo ist das betreffende Bekenntnis Obamas dazu, nicht der Präsidentschaftskandidat der afroamerikanischen Bevölkerungsgruppe und der diese beweinenden, herzblutenden Weißen zu sein?
Ich lehne Obama primär auf Grund der oben ausführlich geschilderten Umstände ab. Dass er sich zumindest im Kielwasser der von anderen für ihn zelebrierten Ethno-Show suhlt, kommt nur noch kumulativ hinzu.
Gäbe es einen erfahrenen und kompetenten dunkelhäutigen Kandidaten, mit greifbarem Programm und guten Konzepten, dessen Sympathie, "Coolness", moralischer Anspruch auf den Wahlsieg usw. auf Grund Hautfarbe eines der beherrschenden Themen des Wahlkampfes wären und der sich davon nicht distanziert, würde ich sagen: "Schade, dass hat er doch nicht nötig. Er könnte und sollte gewählt werden, weil er der Richtige ist!"
Da ich Obama jedoch für völlig unqualifiziert und ungeeignet halte, und er meines Erachtens seine Anhänger viele seiner programmatischen Lücken und charakterlichen Schwachstellen von dieser Ethno-Show überspielen lässt, thematisiere auch ich seine Hautfarbe - denn andere Leute wollen das ja so, seine Anhänger wollen das ja so, er will es - zumindest passiv - so.
Soll ich auf Schwärmereien von diesem "netten, charmanten Afroamerikaner, der so toll reden kann" mit inhaltlicher Kritik an seiner Kampagne erwidern? Die Antwort auf der gleichen Ebene ist: "Ach, du meinst diesen Mulatten mit Segelohren und ohne politische Erfahrung, dem man mal sagen sollte, dass wer einen zu breiten Mund hat nicht ständig Grinsen sollte?"
Wer hat da mit Ethnie und Äußerlichkeiten angefangen, wer macht es zum Kriterium und Entscheidungsmaßstab? Und wer passt sich dem nur an?
Wenn es für viele seiner Anhänger wichtig ist und seinen Stärken oder Vorzügen gehört, dass er wie sie glauben und darum betonen ein Afroamerikaner ist, dürfen seine Gegner ihn nicht als Mulatten bezeichnen? Das bedient dann die Ressentiments des "rechten Randes"? Eine
Richtigstellung? Mulatte ist er, Afroamerikaner im soziokulturellen Sinne aber nicht. Darf seine ethnische Zugehörigkeit also nur thematisiert werden, solange sie in einschlägigen Kreisen seine "Coolness" und seinen Sympathiefaktor zu befördern geeignet ist, selbst wenn dabei falsche Konnotationen geweckt werden?
[An dieser Stelle folgt eigentlich "das absehbare Geseier von der Falschheit politischer Korrektheit": von dem Wahn nur noch Denken und Sagen zu dürfen was im Theorieraster einer bestimmten Ideologie zulässig ist, und nicht mehr, was der objektiven Wahrheit entspricht; von der halsbrecherischen denkerischen Kapriole, die moralische Gleichsetzung moralisch gleicher Dinge als "Verlogenheit" anzuklagen, weil dabei der gravierende Unterschied außer Acht gelassen wird, ob ein Linker oder Rechter etwas sagt oder tut, was natürlich der eigentliche Maßstab ist; usw. - auf besonderen Wunsch eines einzelnen Herrn gestrichen
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